Neue Song-Ideen oder Speicherplatz für Selfies – Interview mit Hille von Sensles

Sensles Gruppenbild

Sensles treiben nun schon seit nahezu 30 Jahren ihr Unwesen in der lokalen Metal-Szene in und um Rheinland-Pfalz. Sie spielen Melodic Thrash, also ein Subgenre des Heavy Metals, das trotz aller Härte und Aggressivität auch Harmonien nicht missen lässt. Wir haben Frontmann, Gitarrist und Songwriter Hille zur Songwriting Routine seiner Gruppe befragt. Ein Gespräch über Teamwork, nächtliche Geistesblitze, und warum man sich auch unter Bandkollegen manchmal nur mit Händen und Füßen verständigen kann.

Ihr habt vor wenigen Monaten euer neues Studioalbum „Monkeys Will Be Back“ veröffentlicht. Wie fühlt es sich an, wieder eine frische Platte draußen zu haben und worauf seid ihr bei der Scheibe besonders stolz?
Als Musiker fühlt es sich natürlich großartig an! Wir haben ein halbes Jahr an dem Album gearbeitet, viel Herzblut reingesteckt und die Reaktionen von Presse und Freunden sind überwältigend für so eine kleine Band, wie wir es sind. Ganz zu schweigen vom Songwriting-Prozess, der sich natürlich über die letzten Jahre erstreckte. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir als Team gearbeitet haben und alle ausnahmslos hinter dieser Veröffentlichung stehen können. Wir sind mehr als nur eine Band, wir sind füreinander da, Freunde eben.

Trägt bei Sensles jeder etwas zum Songwriting bei oder ist es ein spezieller Prozess eines oder mehrerer bestimmter Mitglieder?
Ein Song würde ohne das Kollektiv in der Band nicht so gut funktionieren. Natürlich schreiben unser Gitarrist Maddin und ich komplette Songs, die wir zur Probe bringen, aber nur durch die Zugabe der Ideen der anderen reift ein Song erst so richtig. Als Songwriter ist es sehr wichtig, auf die Gemeinschaft zu hören. Oft ist man von einer Idee überzeugt und wenn jemand etwas abändern möchte erstmal irritiert. Klar, man kennt selbst den Ablauf, den man sich über Wochen ausgearbeitet hat, doch die anderen Bandmitglieder gehen mit frischen Ohren an den Song und erzielen durch kleine Veränderungen große Wirkungen. Man darf niemals abblocken.

Sensles Monkeys Will Be Back Album Cover ArtworkGeht ihr beim Songschreiben eher traditionell zu Werke oder schickt euch auch mal MP3-Files hin und her?
In der Regel entstehen die Songs zuhause, zum Beispiel bei mir im Kopf. Ich komponiere ganze Stücke und setze sie dann auf der Gitarre um. Lustig wird’s dann, wenn ich den anderen mit Händen und Füßen erkläre, was ich mir hier und da vorstelle, etwa welche Fills, Melodien oder Tempi kommen könnten. Bei Maddin läuft das etwas entspannter. Er hat die Möglichkeit, zuhause seine Ideen aufzunehmen und dann herumzuschicken.

Was steht bei euch an erster Stelle, wenn ihr einen neuen Song erschaffen wollt?
Ganz klar die Abwechslung. Wenn ein Song langweilig oder zu plastisch wird, macht das keinen Spaß. Man muss die Musik nicht neu erfinden, sondern einfach seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Ob daraus eine Ballade oder ein Thrasher wird, ist letztendlich egal, solange man den Song fühlt und das transportiert, was man eigentlich möchte. Auch das Publikum merkt, ob du zu hundert Prozent hinter dem Song stehst oder ihn nur runterleierst, weil jemand gesagt hat, dass das so sein soll.

Worauf kommt es dir beim Songwriting besonders an?
Hinsichtlich der Texte sehe ich meine Stimme als Instrument, mit dem ich nicht nur Melodien, sondern auch Rhythmen transportieren möchte. Deshalb hab‘ ich oft zuerst einen sogenannten Schummeltext, auf den ich dann zu den Silben den Text bastle. Wenn ich zum Beispiel mal Luft hole oder sonstige kurze Pausen am Gesang habe, so füllt etwa Theo an den Drums diese Lücke, sodass keine Langeweile aufkommt. So ist ein Song auch nach mehrmaligem Anhören immer und immer wieder interessant!

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Schreibt ihr Songs recht zügig oder kann es sich auch mal über einen längeren Zeitraum erstrecken?
Das ist ganz unterschiedlich. Da wir Musik nur als Hobby betreiben, kann es schon mal sein, dass es bis zu einem halben Jahr dauert, bis ein Song fertig ist. Familie und Job nehmen meist die ganze Zeit in Anspruch, sodass das Gitarre Spielen und Ausarbeiten neuer Ideen zu kurz kommt. Beim Song „Black Barbie“ erinnere ich mich jedoch, dass ich vor Jahren nachts die Idee dazu hatte, aufgestanden bin, den Song innerhalb von 35 Minuten auf meinem Drum-Computer programmierte und auf den Tascam, mein Vierspur-Aufnahmegerät, aufnahm – damals hatte ich beides noch. Der Text folgte Monate später. Selbiges ist mir seither aber nicht mehr gelungen.

Was machst du beim Songwriting noch genauso, was anders als früher?
Früher schrieb ich drei bis vier Songs und machte dann einen daraus. Ich nahm die besten Riffs und bastelte einen neuen Song daraus. Heute mach‘ ich den Song gleich fertig, indem ich die passenden Ideen aneinanderreihe, ohne Songs auseinanderreißen zu müssen. Mit dem Grundgerüst und einer etwaigen Vorstellung geht’s dann in den Proberaum, wo jeder seine Ideen mit einbringen kann und das auch tut. So fließen interessante, neue Ideen und Einflüsse in den Songwriting-Prozess.

Sensles Gruppenfoto 2Spielen für euch die neueren Entwicklungen im Home-Recording eine Rolle?
Für uns gar keine, zumindest nicht bei mir. Ich zocke neue Riffs, die ich mittlerweile mit dem Handy aufnehme und dann am nächsten Tag noch mal anhöre. Gefallen sie mir noch, entsteht in den folgenden Tagen entweder das Grundgerüst eines Songs oder Speicherplatz für Selfies. (lacht)

Wenn du deinen Stärken und Schwächen als Musiker benennen müsstest, was fiele dir spontan ein?
Als eine Stärke empfinde ich, dass ich, wenn ein Song fertig ist, ich zu hundert Prozent zu ihm stehe und ihn als Fan liebe und höre. Niemals würde ich einen Song am Reißbrett komponieren, weil jemand sagt: „Das musst du heute unbedingt so machen, weil…“. Meine Schwäche liegt eher darin, dass ich an meinen Qualitäten als Gitarrist und Sänger zweifle und mich oft nicht traue, etwas umzusetzen oder den anderen vorzuspielen.

Wie gehst du mit kreativen Tiefs um?
Das Gefühl hat man ganz oft. Du denkst, dass du es nie wieder schaffen wirst, einen neuen Song zu schreiben. Man sollte niemals verkrampft versuchen, einen Song zu schreiben. Wenn’s nicht geht oder einem nichts einfällt, Klampfe weglegen, was anderes machen, das Spaß macht, und wenn man wieder Lust verspürt, zurück ran ans Werk. Die besten Ideen kommen bei den unmöglichsten Situationen!

Welchen Einfluss möchtet ihr mit eurer Musik auf die Hörer ausüben?
In erster Linie mache ich Musik für mich. Die Tatsache, dass es so vielen anderen gefällt, erfüllt mich mit Stolz! Leute, die zu unseren Konzerten kommen oder unsere Platte hören, sollen einfach Spaß und ein gutes Gefühl haben, einfach abschalten und Freude empfinden. Ich selbst kaufe mir Platten, um Emotionen zu empfinden und zu leben. Manchmal höre ich neue Songs meiner Lieblingsband und mir kommen Tränen voller Emotionen und Freude, ganz egal, ob’s an der Melodie oder Power des Songs liegt, ich muss es einfach spüren. Musik entwickelt und transportiert Gefühle, und wenn das jemand merkt und spürt, dann hast du alles richtig gemacht.

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